02.09.2020 Belarus zwischen Hoffnung und Angst
EIN OFFENER BRIEF
Liebe Studierende aus Belarus,
die Ereignisse nach den Präsidentschaftswahlen in Eurem Heimatland erinnern mich an den Herbst 1989 in der DDR. Auch in Frankfurt (Oder) gingen damals die Menschen auf die Straße und forderten Veränderungen in ihrem Land. Auch damals warnten die Machthaber vor der „Einmischung ausländischer Mächte“ und drohten damit, die Proteste blutig niederzuschlagen. Das alles ist 31 Jahre her, und doch waren damals die Verhältnisse ganz anders. Was gleich ist, das ist einerseits die Hoffnung vieler Menschen auf Veränderungen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und andererseits die Sorge und Angst vor der Gewalt der Staatsmacht. Damals half es uns, dass wir uns unter dem Dach der Kirche treffen konnten, um über unsere Hoffnungen, Sorgen und Ängste zu reden, uns zu ermutigen und zu stärken und um für Frieden und Gewaltlosigkeit zu beten.
Wenn Ihr über Eure Hoffnungen, Sorgen und Ängste reden möchtet, wenn Ihr jemanden zum Zuhören braucht, wenn Ihr gemeinsam mit einem anderen Menschen überlegen wollt, was dabei hilft, in der Spannung zwischen Hoffnung und Angst zu leben, dann schickt mir eine E-Mail oder ruft mich an.
Wir kommen zu Dir, allmächtiger Herr und Gott, der Du der Gott der Ordnung und des Friedens bist, wir bringen vor dich unsere östlichen Nachbarn. Bitte beende die Gewalt, stehe ein für die Geschädigten, aber gib ihnen auch die Kraft, den Tätern zu vergeben. Beende den Hass und schenke stattdessen gegenseitigen Respekt. Gib all denen Weisheit, Besonnenheit und das Geschenk der Einheit, die über die Zukunft von Belarus entscheiden werden. Wir vertrauen dir all jene an, die sich sozial engagieren und ihr Leben oder ihre Gesundheit riskieren. Bitte tröste diejenigen, die ihre Angehörigen während der Proteste verloren haben, achte auf diejenigen, deren Angehörige verschwunden sind, und stärke diejenigen, die körperlich und geistig gebrochen wurden. Gewähre unseren Nachbarn Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden, Herr, und mach uns sensibel für menschliches Leid, Ungerechtigkeit und Böses, damit wir entsprechend unseren Fähigkeiten richtig reagieren können. Wir wollen das Salz und Licht dieser Welt sein! Amen.
(Der Text des Gebets wurde von einer Gruppe von Menschen aus der Gemeinde Bialystok erstellt. Dies ist die Gemeinde, die der Grenze zu Weißrussland am nächsten liegt, daher kann sie die Situation vor Ort am besten verstehen.)